- Um welchen Häuserblock geht es?
- Was passiert bei euch aktuell?
- Wie hängen die Häuser zusammen?
- Warum wurde der Block 2016 geteilt?
- Hintze, Samwer – who is who?
- Wirkt der Milieuschutz im Reuterkiez?
- Was macht euer Verein?
- Kann man euch unterstützen?
Um welchen Häuserblock geht es?
Reuterkiez, Nordneukölln. Insgesamt geht es um 17 angrenzende Häuser mit ungefähr 180 Wohnungen und geschätzt 300 Bewohnern. Der Plan gibt einen Überblick. Die Häuser Fram + Nansen + Pannier + Gebäude im Innenhof sind rosa markiert, die Häuser in der Pflügerstraße sind türkis eingefärbt.
- Framstraße 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19
- Nansenstraße 11, 14, 14a, 15
- Pannierstraße 45
- Gewerbefläche im Innenhof (Zugang Fram 7)
- Pflügerstraße 21, 21a, 22
Was passiert bei euch aktuell?
Seit 2017 beobachten wir bei Neuvermietung einen rapiden Anstieg auf 16 € pro qm Kaltmiete in Häusern mit bisher einfacher Ausstattung – mehr als das Dreifache der bisherigen Mieten. Der Vermietertrick: Modernisierung hebelt jede Mietpreisbremse aus! Gegen den Modernisierungszuschlag konnte eine Mietpartei 2019 erfolgreich klagen. Aber auch Bestandsmieter*innen haben mittlerweile Mieterhöhungen bekommen.
Im Januar 2020 wurden viele Mietende per Brief vom Bezirksamt darüber informiert, dass ihre Mietwohnung von den Hausbesitzern in eine Eigentumswohnung umgewandelt wurde – trotz Milieuschutzgesetz, das die Umwandlung von Eigentum eigentlich verhindern soll!!
Im September 2020 wurden die Mieter*innen in 5 Häusern vom Bezirksamt darüber informiert, dass ein Kauf ansteht. Noch kann das Bezirksamt im Milieuschutzgebiet intervenieren, das Vorkaufsrecht prüfen und Auflagen erteilen. Das muss innerhalb von 2 Monaten, also bis Ende Oktober geschehen sein. Ergebnisoffen …
Ab 2021 sollen im grünen Innenhof historische Gewerbegebäude komplett abgerissen werden und hochpreisige, mehrstöckige Neubauten entstehen. Geplant sind 48 Wohneinheiten, wie sie hier vom Architekturbüro vorgestellt werden: https://www.braunundbraun.com/framblock
Wenn im klimafreundlichen Innenhof hochpreisig gebaut wird, verschwindet ein bisher bezahlbares Wohngebiet vom Markt zugunsten teurer Eigentumswohnungen. Und die ca. 80-100 neuen Bewohner auf engem Raum brauchen Autoparkplätze, Mülltonnen-Stellplätze, Wege durch den Hof. Große Bäume und Grünflächen werden vernichtet, die Fensterfassaden der Altbauten verschattet. Nur aus Gewinnsucht.
Wie hängen die Häuser zusammen?
Kurzer historischer Exkurs: Der gesamte Mietshäuserblock wurde in den 1920er Jahren von den beiden Bauunternehmern Lindow errichtet, die auch ihre Baufirma Lindow auf der Gewerbefläche im Innenhof führten. Nach dem Tod der Firmengründer erbten drei Angehörige, damit blieben Hof und Gebäude weiterhin jahrzehntelang in Familienbesitz. Die Mietshäuser haben eine einfache Ausstattung, Modernisierungen von Sanitär und Heizungen konnten Mietende in Rücksprache mit der Hausverwaltung häufig selbst vornehmen, um die Miete niedrig zu halten. Die Verwaltung war mieterfreundlich und an stabilen Mietverhältnissen interessiert.
Als 2014 eine der drei Lindow-Erben verstarb, wollten die verbleibenden beiden Erbparteien die Häuser im Familienbesitz behalten, aber anscheinend gegen ihren Wunsch verkaufte der Nachlassverwalter an die Berliner Immobilienfirma Dr. Hintze & Co. Gleich mehrere neue Investoren standen dahinter und bildeten nun mit der verbliebenen Lindow-Erbin (Haus- und Vermögensverwaltung Wiest GmbH) formal eine Eigentümergesellschaft. Unfreiwillig …
Warum wurde der Block 2016 geteilt?
Die neuen Investoren stellten 2016 einen „Antrag auf Teilungsversteigerung“ beim örtlichen Amtsgericht, um damit die finanzschwächere Wiest GmbH zum Verkauf ihrer Anteile zu zwingen. (Formale Regel: Eine Teilungsversteigerung dient der „Aufhebung der Gemeinschaft“, falls sich Anteilseigner in einer Gesellschaft uneinig sind. Verkehrswert laut Gutachten: insgesamt 13,4 Millionen Euro). Wir Bewohner starteten sofort eine öffentliche Kampagne in allen Medien und Netzwerken. Im Juni wurden die Versteigerungstermine unvermittelt abgesagt.
Die Häuser und Grundstücke wurden getrennt und unter den Eigentümern aufgeteilt.
Fünf Häuser blieben wie bisher im Lindow-Wiest-Erbnachlass, aber der Großteil der Häuser wechselte in den Besitz der Immobilienfirma Dr. Hintze & Co, die ihrerseits mehrere Anteilseigner und Investoren vertritt. Offiziell fand kein Kauf oder Besitzerwechsel sondern eine Aufteilung statt.
Hintze, Samwer – who is who?
Die Firma Hintze vertritt verschiedene GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), darunter die Lido Investment GmbH (Berlin), Verus GmbH (München) und die CAD Investment GmbH (Berlin). Lido Investment und CAD Investment gehören den Brüdern Florian und Martin Hintze. Florian Hintze agiert als Geschäftsführer von Dr. Hintze & Co, während Martin Hintze bei der Investmentbank Goldman Sachs für das Coporate Equity-Geschäft in Europa verantwortlich ist.
Hinter der Verus GmbH aus München stehen die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer, die als Internet-Unternehmer mit Rocket-Internet groß geworden sind und über verschiedene Investmentfirmen ein Milliarden-Vermögen angehäuft haben. Sie wollen am Berliner Immobilienmarkt noch schneller verdienen.
Ihre Aneignungsstrategie: Mit dem Erwerb des ersten Erbanteils hatten die Hintzes und Samwers den Fuß in der Tür. Sie bezahlten eine weitere Erb-Partei aus, sodass ihnen anteilig schon zwei Drittel der Häuserblocks gehörten. Aber die Erbin des letzten Drittels (Wiest) hatte durch ihren Testamentsvollstrecker unterbinden lassen, ihren Anteil an Hintze und Samwer zu verkaufen. Mit einer Teilungsversteigerung wäre 2016 auch dieser letzte Erbanteil an die finanzstärkeren Hintze & Co gefallen.
Stand 2020: Heute, vier Jahre später, agieren die neuen Investoren (Hintze, Samwer u.a.) gewinnbringend und mietensteigernd, indem sie Wohnungen aufwändig modernisieren und dann als „Neubezug“ anbieten. Gegen diese extreme Mietensteigerung durch Modernisierung konnten Mietende 2019 erfolgreich klagen, aber kurz darauf im Januar 2020 wurden alle Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Es bleibt nichts unversucht, um aus den Häusern viel Geld abzuschöpfen.
Wirkt der Milieuschutz im Reuterkiez?
Nein. Die Mieten sind bei Neuvermietungen um 80 Prozent gestiegen und klettern weit über das Mietspiegel-Niveau. Seit Februar 2016 gilt die Milieuschutzverordnung Reuterplatz. und es gelten die sozialen Erhaltungsverordnungen (§172 Baugesetzbuch): Diese sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten und einer sozialen Verdrängung entgegenwirken.
Was regelt der Milieuschutz genau?
Das Stadtentwicklungsamt Neukölln kann die Genehmigung aufwertender Baumaßahmen ablehnen, z.B. die Zusammenlegung von Wohnungen oder eine überdurchschnittliche Ausstattung („Luxussanierung“). Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist nicht zulässig und nur in Ausnahmen genehmigt. Bestandswohnungen sind zu erhalten, Bausubstanz darf nicht verändert (abgerissen oder umgebaut) werden. Umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen sind genehmigungs-pflichtig, z.B. fallen neue Balkone, Bäderumbau und Holzdielenboden unter unzulässige Modernisierung. Strittig sind dagegen Aufzüge und der Ausbau von Dachgeschoßen. Vieles ist unklar geregelt und es gibt zig Schlupflöcher.
Extreme Mietensteigerungen seit 2017
Wir verzeichnen einen Mietenanstieg um das Dreifache der Kaltmiete aufgrund von hochwertiger Modernisierung, die im Milieuschutzgebiet eigentlich untersagt ist! Da unsere Wohnungen bisher einen niedrigen Standard haben, können schon „normale“ Modernisierungen die Mieten drastisch steigen lassen. Aber 16 €/m² sind extrem überzogen! Die geplante Bebauung des Innenhofes wird die Preise noch viel mehr in die Höhe schießen lassen. Der Milieuschutz greift auch nicht bei der Umwandlung in Eigentum – er verpufft bisher wirkungslos.
Was macht euer Verein?
Wir haben uns im Verein Unser Block bleibt e.V. zusammengeschlossen, um als Verhandlungspartner überhaupt ernst genommen zu werden, wenn es drastische Umbauten oder Veränderungen in unseren Mietshäusern geben sollte.
- Wir geben wichtige Informationen zum Mietrecht weiter:
Wiedervermietungen werden hier seit 2017 schon mit 300% Steigerung angeboten und „hochwertige“ Umbauarbeiten in einzelnen Wohnungen erhöhen den bisher bezahlbaren Standard der Ausstattung. Wir informieren daher neu Zugezogene und ansässige Bewohner über die Mietpreisbremse, prüfen auf absichtlichen Leerstand und unzulässige Modernisierungen in der Nachbarschaft und vernetzen uns mit anderen Mietenprotestbewegungen in allen Bezirken. - Wir helfen neuen Nachbarinnen und Nachbarn:
Der Milieuschutz greift bisher gar nicht dabei, das Schlupfloch Modernisierung zu schließen, welches ungebremste Miethöhen erlaubt. Wir unterstützen Nachbarinnen und Nachbarn in Gerichtsverfahren und Prozessen, die gegen ihre überhöhte Miete klagen, sogar bei Modernisierung mit Erfolg! (Stand 2019).
Kann man euch unterstützen?
Wir vernetzen uns gern mit anderen Mieterinitiativen in allen Bezirken und freuen uns, wenn ihr unsere Infos weitergebt. Je größer das Bewusstsein für das Verdrängungsproblem hier in Berlin ist, je mehr Öffentlichkeit, Bündnisse und gemeinsame Aktionen, desto besser.
- Neu eingezogen? Nutze dringend eine der Mieterberatungen wie Mieterverein, Mietergemeinschaft oder Mieterbund, gehe mit rechtlichen Mitteln gegen deine überhöhte Miete vor. Informiere dich bei uns im Verein. Nimm an unseren Vereinstreffen teil.
- Ihr seid in eurem Haus im Kiez auch betroffen? Lasst uns in die Medien und an die Öffentlichkeit gehen. Nehmt mit uns Kontakt auf und lasst uns gemeinsame Aktionen starten.
Wir freuen uns über Vernetzung, bitte nehmt mit uns Kontakt auf!